Schönes neues Jahr?
VdK Bayern zieht Bilanz
Auf der Jahrespressekonferenz des Sozialverbands VdK Bayern in München haben VdK-Präsidentin und stellvertretende Landesvorsitzende Verena Bentele, Landesvorsitzende Ulrike Mascher und Landesgeschäftsführer Michael Pausder sozialpolitische Bilanz gezogen. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen 2023 lag der Schwerpunkt auf landespolitischen Themen. Aktuell verzeichnet der VdK Bayern mit 781.300 Mitgliedern einen neuen Höchststand.
Verena Bentele warf einen kritischen Blick auf die Entlastungspakete der Bundesregierung und den geplanten bayerischen Härtefallfonds. Sie nannte es ernüchternd, dass die Staatsregierung im Härtefallfonds die Hilfen für Privathaushalte erst einmal ausgeklammert hat. „Ministerpräsident Markus Söder darf die Menschen jetzt nicht enttäuschen, die akut verzweifeln, weil sie ihre Rechnungen nicht zahlen können. Sie haben ganz real Angst, unter das Existenzminimum zu rutschen, und erwarten sich unbürokratische Hilfe.“ Sie forderte von der Staatsregierung ein starkes und eindeutiges Signal: „Die frohe Botschaft sollte sein: Niemand muss in diesem Winter frieren. Deshalb muss garantiert werden, dass niemandem Strom oder Heizung abgedreht wird, weil er die Rechnung nicht bezahlen kann. In einem solchen Fall muss es ein Moratorium von mindestens sechs Monaten und staatliche Hilfen in Vorleistung geben. Das wäre ein echter Härtefallfonds ohne Verzögerung und Bürokratie.“
Bentele warnte vor einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Demokratie, wenn die Entlastungsmaßnahmen nicht für den Einzelnen greifen. „Die Betroffenen sind ganz normale Bürgerinnen und Bürger, sie sind nicht arm, nicht reich, haben ein redlich verdientes Einkommen. Die dürfen wir nicht verlieren.“ Sie begrüßte Nachbesserungen bei der Preisbremse, die nun auch Öl, Pellets und Flüssiggas umfasst. Trotzdem fehle der soziale Faktor: „Entlastungen dürfen nicht generell jeden hohen Energieverbrauch subventionieren, egal ob es ein wohlhabender oder ein armer Haushalt ist.“ Vorrang haben müssen einkommensschwächere Menschen.
Zur Gegenfinanzierung schlägt Bentele steuerliche Maßnahmen vor. „Übergewinnsteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine einmalige Vermögensabgabe für Superreiche sind geeignet, dem Staat den notwendigen finanziellen Spielraum in dieser Krise zu geben.“
Ulrike Mascher erteilte den wieder aufgetauchten Forderungen nach einer Anhebung des Renteneintrittsalters eine klare Absage: „Das wird es mit dem VdK nicht geben. Das vergrößert nur die Rentenabschläge und wird die ohnehin hohe Altersarmut in Bayern weiter ansteigen lassen.“ Sie kritisierte Arbeitgeber und Unternehmen, die einerseits den Fachkräftemangel beklagen, aber andererseits wenig Anstrengungen unternehmen, älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine gesunde Perspektive bis zur Regelaltersgrenze zu bieten.
Mascher sieht den Freistaat im Hinblick auf die demografische Entwicklung nicht gut gerüstet. Derzeit leben rund 2,72 Millionen Menschen über 65 Jahre in Bayern, 2040 werden es rund 3,49 Millionen sein. In den 2030er-Jahren wird es hier den höchsten Anstieg geben. „Wir brauchen in dieser Hinsicht dringend eine Verbesserung der Infrastruktur“, sagte Mascher. Sie forderte mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für Ältere in Bayern: „Die Staatsregierung hat mit ihrer Blockadehaltung beim Seniorenmitwirkungsgesetz eine wichtige Chance vertan. Kommunen haben nach wie vor keine Verpflichtung, Seniorenbeiräte einzurichten. Dabei liefern diese Gremien wichtige Impulse für die Entwicklung im kommunalen Raum.“ Der VdK Bayern fordert die Einrichtung von Seniorenvertretungen in Gemeinden ab 5000 Einwohnern. Außerdem müssen diese angemessen ausgestattet und für ihren Aufwand entsprechend entschädigt werden.
Zentral für die demografische Zukunft Bayerns ist die Entwicklung der Mobilität. Beim ÖPNV schneidet Bayern im bundesweiten Vergleich schlecht ab. So sind die Landkreise Dingolfing-Landau, Straubing-Bogen, Cham, Rottal-Inn und Kronach Deutschlands Schlusslichter im „Erreichbarkeitsindex“ für Bushaltestellen und Bahnhöfe, von denen mindestens zehn Fahrpaare pro Tag abfahren. Mascher forderte zu neuen Ansätzen auf, etwa Rufbusse, aber auch Kooperationen mit privaten Taxi- und Busunternehmen. Zusätzlich muss dringend weiter in das bestehende Netz investiert werden: „Von 1066 Bahnhöfen und Haltepunkten in Bayern sind nicht einmal die Hälfte barrierefrei. So ist der gewünschte Umstieg vom Auto auf den ÖPNV nicht realistisch.“ Mangelnde Barrierefreiheit im Gesundheitssystem ist ein weiteres großes Problem für eine älter werdende Bevölkerung. Der VdK fordert deshalb, dass bei jeder Neuvergabe eines Arztsitzes die barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit nachgewiesen werden muss.
Mascher kritisierte das Fallpauschalen-System in der Krankenhausversorgung, das nun zwar etwas aufgeweicht werden soll, aber gerade ältere und pflegebedürftige Menschen nach wie vor benachteiligt: „Wir fordern, dass diese Personengruppen komplett aus den Fallpauschalen herausgenommen werden.“ Zusätzlich müsse die Geriatrie in Bayern stark ausgebaut werden: „Jedes Allgemeinkrankenhaus in Bayern muss zwingend eine geriatrische Station haben, die interdisziplinär arbeitet und Anschluss-Rehas wohnortnah ermöglicht. Zusätzlich muss die geriatrische Qualifizierung von Hausärzten in Bayern vorangetrieben werden.“
Michael Pausder stellte die Jahresbilanz des VdK Bayern vor und konnte Erfreuliches berichten: „Mit aktuell 781.300 Mitgliedern hat der VdK Bayern erstmals in seiner über 75-jährigen Geschichte mehr Mitglieder als der DGB mit all seinen Einzelgewerkschaften in Bayern und dreieinhalbmal so viele Mitglieder wie alle politischen Parteien in Bayern zusammen.“ Den Erfolg des VdK führte er auf die hervorragende Sozialrechtsberatung zurück, die flächendeckend in Bayern angeboten wird: „Wir haben konsequent auf unsere Kernkompetenz gesetzt. Etwa 700 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liefern in den VdK-Geschäftsstellen höchstprofessionelle Arbeit ab.“ Bislang konnten in sozialrechtlichen Verfahren im Jahr 2022 schon 94 Millionen Euro an Nachzahlungen für die Mitglieder erstritten werden. Pro Arbeitstag finden beim VdK Bayern 1400 Beratungen statt, es werden 370 Anträge gestellt, 120 Widersprüche eingelegt und 30 Klagen erhoben. Insbesondere für langfristig erkrankte Menschen ist der Druck gewachsen, beobachten die VdK-Teams.
Aktuell werden auffällig lange Verfahren bei der Deutschen Rentenversicherung bei Erwerbsminderungsrenten registriert. Auch die Berichte von Mitgliedern, deren Krankenkassen sie im Krankengeldbezug drangsalieren, häufen sich. Pausder verwies auf aktuelle VdK-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Zum einen zu den geringen Anrechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten, die vor 2019 bewilligt wurden, zum anderen zu der Regelung im bayerischen Landespflegegeld, nach der Bezieherinnen und Bezieher nicht von den Rundfunkbeitragsgebühren befreit sind, wie es in den anderen Bundesländern der Fall ist.
Pausder kündigte für 2023 Aktionen des VdK Bayern zur Landtagswahl an: „Wir sind in Bayern eine soziale Macht. Mehr als 780.000 Mitglieder sind mehr als 780.000 Wählerinnen und Wähler. Das ist Politikerinnen und Politikern bewusst.“