Soziale Krise durch Corona verhindern!
Sozialverband VdK fordert sozial gerechte Maßnahmen in der Pandemie

„Corona zeigt uns die sozialen Ungleichheiten in Deutschland sehr deutlich auf. Wir müssen verhindern, dass aus der Corona-Krise eine soziale Krise wird. Wir müssen jetzt die richtigen Lehren ziehen und die Weichen stellen, damit der gesellschaftliche Zusammenhalt bestehen bleibt“, erklärt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, auf einer Pressekonferenz in München.

Für eine einmalige Vermögensabgabe

„Die Bürgerinnen und Bürger haben große Solidarität gezeigt und auch finanzielle Einbußen erlitten. Der Staat hat hohe Schulden aufgenommen. Nun müssen die Kosten der Krise gerecht verteilt werden. Der Sozialverband VdK fordert deshalb eine einmalige Vermögensabgabe“, sagt Bentele. Nur Menschen und Betriebe mit großem Vermögen sollen herangezogen werden, und es soll ein Freibetrag von einer Million Euro gelten. Selbst bewohnte Immobilien blieben steuerfrei. „Nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung wäre von der Vermögensabgabe betroffen. Doch der Effekt wäre enorm, wir sprechen von zusätzlichen Steuereinnahmen im Milliardenbereich“, so Bentele.

Die VdK-Präsidentin warnt: „Die Tilgung der Corona-Schulden darf nicht über kurz oder lang durch Leistungskürzungen im Sozialbereich erfolgen, wie es teilweise bereits gefordert wird. Das würde die soziale Ungleichheit weiter vorantreiben und den sozialen Frieden gefährden. Das schadet der Wirtschaft mehr als krisenbedingt vorübergehend steigende Sozialausgaben.“

Bentele sieht sich durch die Corona-Krise in einer weiteren VdK-Forderung bestärkt: „Mit einem solidarisch ausgestalteten Sozialversicherungssystem kommen wir alle besser durch die Krise. Das Kurzarbeitergeld federt gerade enorm viel ab. Selbstständigen fehlt zum Beispiel dieses Sicherheitsnetz. Deshalb fordert der VdK eine rasche Umgestaltung zu einer Sozialversicherung für alle. Auch das ist gelebte gesellschaftliche Solidarität.“

VdK fordert Pflegevollversicherung

Ulrike Mascher, Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern und Ehrenpräsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, ergänzt Benteles Forderungen am konkreten Beispiel der Pflegeversicherung. „Corona hat die Schwächen der gesetzlichen Pflegeversicherung mit ihrem Teilleistungscharakter offenbart. Wir fordern eine Pflegevollversicherung, bei der alle tatsächlichen Pflegekosten inklusive Personalkosten abgedeckt sind. Es kann nicht sein, dass die von allen Seiten geforderte bessere Bezahlung von Pflegekräften weiter einseitig zu Lasten der Pflegebedürftigen geht“, sagt Mascher. Derzeit liegen die Selbstzahleranteile in bayerischen Pflegeheimen bei 2018 Euro. „Selbst mit einer ordentlichen Rente kann man sich das kaum leisten. Jeder dritte Heimbewohner lebt von Sozialhilfe. Auch deshalb ist Pflegebedürftigkeit so angstbesetzt“, so Mascher weiter.

Für pflegende Angehörige waren die zurückliegenden Monate eine große Herausforderung. In der öffentlichen und politischen Wahrnehmung hat die Pflege zu Hause aber kaum eine Rolle gespielt. In vielen Familien brachen die Pflegearrangements zusammen: Tagespflegeeinrichtungen wurden geschlossen, Kurzzeitpflegeplätze fielen weg, ambulante Dienste schränkten ihr Angebot ein, 24-Stunden-Kräfte reisten nicht mehr nach Deutschland. „Die Last lag und liegt allein auf den Angehörigen. Bei vielen sind jetzt alle Überstunden und Urlaubstage abgebaut, die Finanzen und die Kräfte aufgebraucht. Doch die Krise ist ja noch nicht ausgestanden“, warnt Mascher.

Der VdK fordert, dass Leistungen, die seit März nicht abgerufen werden konnten, den Pflegebedürftigen ausgezahlt werden. Auch Kostenvorschüsse auf Pflegeleistungen müssen bei Härtefällen unbürokratisch ausgezahlt werden. Zudem muss es eine großzügige Regelung bei der Festlegung eines Pflegegrads geben. „Derzeit findet die Begutachtung des MDK telefonisch statt. Das ist für alle Beteiligten mehr als unglücklich und führt nicht zuletzt zu deutlich steigenden Widerspruchsverfahren, wie wir an unserer Rechtsberatungsstatistik belegen können“, sagt Mascher.

Corona hat zudem deutlich gezeigt, wie schlecht die pflegerische Ausstattung zu Hause oft ist. „Auch pflegende Angehörige müssen kostenlos mit ausreichender Schutzkleidung und Hygienemitteln ausgestattet werden“, fordert Mascher.

Die VdK-Landesvorsitzende warnt vor erheblichen Versorgungsmängeln im ambulanten Pflegebereich, die in Bayern durch Corona in einigen Regionen noch deutlicher zu spüren sind: „Die Versorgung Pflegebedürftiger ist dem freien Markt überlassen. Deshalb werden Dienste dort angeboten, wo es sich lohnt. Wo die Wege nicht so weit sind und das Personal billig zu kriegen ist. Wir fordern deshalb einen staatlichen Versorgungsauftrag, idealerweise in der Verantwortung der Kommunen.“

Erhöhter Beratungsbedarf in Corona-Zeiten

VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder kann die Auswirkungen der Corona-Pandemie an der Statistik der Sozialrechtsberatungen in den 76 VdK-Geschäftsstellen ablesen: „Von März bis August ist die Zahl der Beratungen im Vergleich zu 2019 um 5,8 Prozent gestiegen. Besonders deutlich stiegen die Beratungen in den Rechtsbereichen der Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung an.“ Der VdK Bayern war während der ganzen Zeit für die Mitglieder erreichbar. Beratungen fanden telefonisch statt, seit 11. Mai auch wieder persönlich in den Geschäftsstellen.

Dass dennoch viele Mitglieder lange auf Entscheidungen ihrer Anliegen warten müssen, liegt daran, dass sich die Bearbeitungszeiten in den Sozialbehörden und vor den Sozialgerichten deutlich erhöht haben. Für die Betroffenen führe das oft in existentielle Nöte, weiß Pausder: „Sie müssen massiv in finanzielle Vorleistungen gehen. Manche müssen auf wichtige medizinische Behandlungen verzichten, weil die Kasse die Kosten nicht vorher übernimmt. Und verzögerte Entscheidungen über Erwerbsminderung zwingt manche Mitglieder für die Dauer des Verfahrens sogar in den Grundsicherungsbezug.“

Pausder will die Stärke des VdK weiter ausbauen: „Die Menschen setzen auf uns: rechtlich und sozialpolitisch. Selbst in der Krise wächst der VdK in Bayern deutlich. Von August 2019 bis August 2020 sind 23.000 Mitglieder dazu gekommen. Insgesamt sind es jetzt 729.000. Und wir wollen weiter wachsen. Denn jedes neue Mitglied stärkt unseren sozialpolitischen Einfluss auf die bayerische Staatsregierung und auf die Bundesregierung in Berlin.“ Dr. Bettina Schubarth
Pressesprecherin
Abteilungsleiterin Presse, PR, Neue Medien

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